Tylomelania sarasinorum (links) und T. towutica im natürlichen Lebensraum im Towuti-See. Beiden Arten kommen syntop (gleicher Ort/gleicher Lebensraum) auf Totholz, wie hier gezeigt, und auf Felsen vor.
© Werner Klotz (2019)
Sulawesi ist zumindest bei Aquarianern und Aquarianerinnen sehr bekannt: Aus den Alten Seen der Insel stammen die farbenfrohen endemischen Schnecken der Gattung Tylomelania (aus der Familie der Pachychilidae), die nur hier vorkommen. Bislang wurden 34 Tylomelania-Arten aus den Seen wissenschaftlich beschrieben, etwa 10-15 weitere sind noch unbeschrieben. Die Tylomelania aus den Seen sind zu Recht sehr beliebt, jedoch bietet die Schneckenfauna in den Binnengewässern der Insel noch sehr viel mehr. Tylomelania selbst kommen auch in Flüssen und Bächen der Insel vor – mit der Ausnahme des Nordens. Hier gibt es neun beschriebene Arten und mindestens ebensoviele, für die noch keine wissenschaftliche Artbeschreibung vorliegt.
Die nächsten Verwandten (ebenfalls ein Mitglied der Familie der Pachychilidae) der Tylomelania auf Sulawesi ist die einfach zu bestimmende, weit verbreitete Faunus ater, die Brackwasserhabitate bewohnt.
Eine sehr weit verbreitete Gruppe von reinen Süßwasserschnecken ist ebenfalls mit Tylomelania verwandt (wenngleich recht weitläufig) – die Thiaridae oder Turmdeckelschnecken. Auch einige ihrer Mitglieder finden eine weite Verbreitung auf dem gesamten indoaustralischen Archipel, wie beispielsweise die sehr bekannten Arten Tarebia granifera, Mieniplotia scabra, Melanoides tuberculata (sie alle sind lebendgebärend und entlassen fertig entwickelte Jungtiere) und Arten der Gattungen Thiara sowie Stenomelania. Die ersteren drei Arten findet man praktisch auf der gesamten Insel, häufig gemeinsam mit Tylomelania in Flüssen und Bächen, jedoch so gut wie niemals in den Alten Seen. Arten der Gattungen Thiara und Stenomelania dagegen kommen häufig in den Unterläufen der Flüsse knapp oberhalb der Mündungen vor, jedoch ausschließlich in Süßwasser. Einige dieser Arten entlassen sogenannte Veliger-Larven, die mit der Strömung ins Meer verdriftet werden, wo sie sich entwickeln – das erklärt ihre extrem weite Verbreitung (obgleich auch die oben erwähnten lebendgebärenden Thiaridae an benachbarten Küsten vorkommen, was ein wenig rätselhaft ist). Ebenfalls weit verbreitet, aber weniger häufig zu finden sind unter anderem die Arten Sermyla riqueti und Balanocochlis glans. Weil diese Schnecken etwas höhere Ansprüche an ihre Habitate haben, kann es sich hier auch um ein Versehen handeln. Kürzlich wurde die erste vermutlich endemische Art der Gattung Sermyla, S. kupaensis, von Sulawesi beschrieben.
Das Habitat der Neritidae (Kahnschnecken) auf Sulawesi deckt sich teilweise mit dem der Thiaridae. Zu den ziemlich unverwechselbar geformten Neritiden gehören auch Arten aus dem Brack- und Meerwasser. Sie wandern in der Regel nicht so weit die Flüsse hoch wie die Turmdeckelschnecken aus den Küstenflüssen.
Unter den Vorderkiemerschnecken oder Prosobranchia – die man ganz grob als Schnecken mit Kiemen und einem Deckel oder Operculum beschreiben könnte, und zu denen alle bisher aufgeführten Schneckenarten gehören – finden sich auch die Sumpfdeckelschnecken oder Viviparidae, die ebenfalls zahlreich auf Sulawesi vorkommen. Die Art, die auch außerhalb der Taxonomie am bekanntesten ist, dürfte Celetaia persculpta sein, eine ausgesprochen schön geformte Schnecke, die im Pososee endemisch ist. Andere Sumpfdeckelschnecken insbesondere der Gattung Filopaludina sind auf der gesamten Insel weit verbreitet und leben häufig in den Reisfeldern oder in strömungsarmen Bereichen von Flüssen und Bächen.
Mehr oder weniger dasselbe Habitat teilen sie sich mit einer anderen sehr bekannten Gruppen, den Apfelschnecken oder Ampullariidae. Zur auf Sulawesi heimischen Pila celebensis (die – wie der Name andeutet – von Sulawesi beschrieben wurde, jedoch auch außerhalb der Insel vorkommt), kommt die eingeschleppte Art Pomacea canaliculata (Goldene Apfelschnecke), die sehr weit verbreitet ist und wahrscheinlich die heimische Art verdrängt.
Wir machen nun einen Sprung von den größten Vorderkiemern aus Sulawesi (wenn man einige Tylomelania-Arten außer Acht lässt) zu den kleinsten. Die Insel beherbergt nämlich auch einige weitläufig verwandte Schneckengruppen (die zur Überfamilie der Truncatelloidea gehören) mit sehr kleinen Arten. Die wohl berüchtigste unter ihnen ist die einzige Vertreterin der Familie Pomatiopsidae, die endemische Oncomelania lindoensis. Vermutlich wurde die Art vor etwa zwei Millionen Jahren durch Vögel auf die Insel verbracht und kommt nur in zwei abgelegenen Arealen in Zentralsulawesi vor, unter anderem im Lindu-See im Herzen des Nationalparks Lore Lindu. Diese bräunliche Schnecke hat eine Gehäuselänge von etwa 2 mm und wäre ausgesprochen unspektakulär, wäre sie nicht – ebenso wie die anderen beiden Arten der Gattung Oncomelania in Ostasien und auf den Philippinen – eine Überträgerin von Schistosomen, die Bilharziose auslösen können – und damit eine große Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Weniger bekannt sind die auf Sulawesi endemischen Arten der Familie der Tateidae. Flüchtig betrachtet ähneln sie Oncomelania, aber wie Tylomelania haben sie sich in den Alten Seen der Insel zu einem sogenannten Artenschwarm entwickelt, der zwei endemische Gattungen mit insgesamt 26 Arten umfasst: Sulawesidrobia und Keindahan. Die beiden beschriebenen Arten der Gattung Keindahan (die nur im Pososee vorkommen) haben gekielte, eingedrückt wirkende Gehäuse, was sie von Sulawesidrobia unterscheidet. Außerhalb der Alten Seen und dem Lindu-See wurden bislang noch keine Tateiden gefunden. Zuletzt haben wir auch einen Vertreter der Familie der Bithyniidae: Gabbia. Einenochnicht bestimmte und vermutlich unbeschrieben Art der Gattung wurde im Pososee gefunden.
Der Rest der Süßwasserschneckenfauna auf Sulawesi besteht aus Lungenschnecken (die einen Lungensack besitzen und kein Operculum haben). Hier fällt insbesondere eine Familie auf, die Planorbidae (Tellerschnecken). Diese Schneckengruppe ist bekannt für ihre runden (diskoiden) Gehäuse, deren Windungen mehr oder weniger auf einer Ebene liegen, wie das von Planorbis. Aber auch die wie eine Napfschnecke geformte Ancylus gehört dazu. Auf Sulawesi haben wir fünf Gattungen, die diese Gruppe vertreten, die verschiedene Gehäuseformen zeigen. Die diskoide Indoplanorbis ist auf der ganzen Insel vertreten und generell in Süd- und Südostasien weit verbreitet. Sie kann ebenfalls Schistosomen übertragen – jedoch nur eine Art, die Rinder befällt. Das andere Extrem bei der Gehäuseform ist die napfschneckenförmige Protancylus. Beide Schnecken bevorzugen extreme Habitate: Sie sind in den Alten Seen endemisch. P. pileolus kommt nur im Pososee vor, während P. adhaerens in den Seen des Malili-Systems lebt. Beide Arten findet man ausschließlich auf den Gehäusen verschiedener Tylomelania-Arten. Sie leben auf keinem anderen Hartsubstrat (obgleich es eine reiche Auswahl in Form von Felsen und Treibholz gäbe). In den Alten Seen lebt noch eine weitere interessante Tellerschnecke, die große, dickschalige, Miratesta celebensis, die im Pososee endemisch ist. In den Malili-Seen gibt es noch zwei deutlich kleinere, bisher nicht beschriebene Arten der Gattung Amerianna, die der Miratesta ähneln. In mit Pflanzen bewachsenen Teilen von Flüssen und Bächen finden sich auf der Insel mindestens drei endemische Arten der Gattung Glyptophysa, deren Vorkommen jedoch noch nicht gut erforscht ist. Möglicherweise gibt es hier noch weitere Arten. Zum guten Schluss finden sich auch Schnecken aus der Gattung Radix (Lymnaeidae oder Schlammschnecken) auf Sulawesi. Über ihre Taxonomie und Verbreitung auf der Insel ist jedoch noch weniger bekannt.
Thomas von Rintelen